Meudalismus
Fakten

Die Einkommensentwicklung steht Kopf

(2003 - zur Version 2005)

von
Harald Wozniewski

1. Seit jeher ist es gebräuchlich, bei der Beantwortung der Frage, ob und wie sich die Einkommen der arbeitenden Bevölkerung verändert haben, die Einkommen mit einem der verschiedenen Lebenshaltungsindizes zu vergleichen. Dieser Methode bedienen sich gerne jene Interessenvertreter, die ein Steigen der Einkommen auch der unteren Bevölkerungsschichten behaupten wollen. Unter der Überschrift “Einkommensverteilung: Von sozialer Schieflage keine Rede” beschreibt die Broschüre des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, Globalisierung - Bedrohung oder Chance?, 1999, Seite 30, denn auch: “Wer bei den Gehältern nur die Millionen im Blick hat, die Matthäus, Schumacher und Co. bekommen, macht es sich zu einfach. Denn er übersieht, dass die Bruttolöhne insgesamt deutlich zugelegt haben - seit Mitte der 80er Jahre sind sie in den alten Ländern je Arbeitnehmer um preisbereinigt 15 Prozent gestiegen.” In Busch/List/Schröder/Seffen/Weiß/Werner, Verdienst, Vermögen und Verteilung - Reichtumsbericht Deutschland, Köln 1998, Seite 10 heißt es: “Das verfügbare Einkommen der Privathaushalte ist zwischen 1960 und 1994 in Westdeutschland von 188 Milliarden DM auf fast 1,9 Billionen DM angewachsen - es hat sich also verzehnfacht. Selbst wenn man die Preissteigerung herausrechnet und zu einer Pro-Kopf-Betrachtung übergeht, ergibt sich für den Gesamtzeitraum noch ein Anstieg um 170 Prozent.” Gemessen am Lebenshaltungsindex wird also immer wieder steigender Wohlstand bei der gesamten Bevölkerung festgestellt.

2. Ein ganz anderes Bild ergibt sich jedoch, wenn man die Einkommen der Menschen mit der Geldmenge vergleicht, die in unserer Volkswirtschaft existiert. Der Begriff der Geldmenge ist keineswegs eindeutig. Er ist mindestens so schwer zu definieren wie der Begriff des Geldes überhaupt. (Hier ist allerdings kein Raum, dieses Problem zu vertiefen. Dazu sei nur auf Kulke, Der Zusammenhang zwischen der Höhe des Volkseinkommens und der Geldmenge, Berlin 1975, und auf Obst / Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, Stuttgart, Kapitel 1.3, verwiesen.) Vereinfacht gesagt ist die Geldmenge die Menge an Zahlungsmitteln, die in unserer Volkswirtschaft existiert und die sich auf die Subjekte unserer Volkswirtschaft verteilt. Wenn man das einer Person oder Personengruppe zur Verfügung stehende Geld mit der Geldmenge in unserer Volkswirtschaft vergleicht, erkennt man die wirtschaftliche Bedeutung (oder Macht bzw. Ohnmacht) dieser Person bzw. Personengruppe. Eine Momentaufnahme ist dabei freilich wenig aussagekräftig. Im folgenden werden wir aber eine Entwicklung über mehrere Jahrzehnte betrachten. Man darf nicht glauben, die Geldmenge sei eine über die Jahre hinweg konstante Größe. Im Gegenteil: Gleich welche Geldmenge man betrachtet, sie alle sind in großen Schritten gewachsen. Wenn folglich der Zuwachs des einer Person oder Personengruppe zur Verfügung stehenden Geldes mit dem Zuwachs der Geldmenge nicht Schritt hält, dann sinkt die wirtschaftliche Bedeutung dieser Person bzw. Personengruppe.

Eine dieser begrifflich verschiedenen Geldmengen ist die Geldmenge M3*, die von der Deutschen Bundesbank bzw. von der Europäischen Zentralbank ermittelt (und zugleich kontrolliert) wird. Sie wollen wir unserer folgenden Betrachtung zu Grunde legen.

Bevor wir uns dem Vergleich der Geldmenge M3 mit dem Einkommen der Bevölkerung in Deutschland zuwenden, wollen wir kurz einen Blick allein auf die Einkommensentwicklung der Bevölkerung werfen. Die Einkommen haben sich nämlich in der Bevölkerung sehr unterschiedlich entwickelt, was bereits die Einkommensteuerstatistiken des Statistischen Bundesamtes zeigen. Diese Statistiken zeigen zwar nicht das jeweils verfügbare Geld der Menschen in Deutschland. Denn es fehlen alle Geldbeträge, die die Steuerpflichtigen als Kosten (meist von Unternehmen) absetzen dürfen (wollte man der Frage nachgehen, über wie viel Geld die Menschen in Deutschland tatsächlich verfügen können, wären auch diese Beträge interessant). Naturgemäß haben Personen mit hohen Einkommen auch hohe absetzbare Kosten. Dennoch ist auch die so gesehen verkürzte Einkommensentwicklung beeindruckend (besser: erdrückend). Das folgende Diagramm zeigt von 1961 bis 1995 (die Statistik für 1998 liegt leider noch nicht vor) die Einkommensentwicklung der tausend best verdienenden Steuerpflichtigen, der nächst best verdienenden zehntausend Steuerpflichtigen, dann der nächsten hunderttausend Steuerpflichtigen, der nächsten Million Steuerpflichtigen und schließlich der “übrigen Steuerpflichtigen” (Die dem Diagramm zu Grunde liegenden Zahlen sowie die Fundstellen finden Sie in der beigefügten Excel-Tabelle: www.meudalismus.dr-wo.de/einkommen61-95.xls):

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Die hier zu sehende Entwicklung der Einkommen der “übrigen Bevölkerung”, also Einkommen von rund 95% der Bevölkerung, wollen wir nun mit der Entwicklung der Geldmenge M3 (magenta) vergleichen. (Die Daten von M3 liegen leider nur ab 1974 vor.)
1974 lag das durchschnittliche Einkommen eines Steuerpflichtigen der “übrigen Bevölkerung” bei 20.541 DM (blau). Die Geldmenge M3 betrug 452,205 Milliarden DM. Bezogen auf eine Million Steuerpflichtige hatte das Durchschnittseinkommen der “übrigen Bevölkerung” an der Geldmenge M 3 einen Anteil von 4,54% (gelb).
Bis 1995 war das Einkommen der “übrigen Bevölkerung” nominell zwar auf durchschnittlich 47.988 DM gewachsen.
Verglichen aber mit der Geldmenge M3, die nunmehr bei 2.007,441.Milliarden DM angekommen war, waren die Einkommen von rund 95% der Bevölkerung von 1974 bis 1995 rapide auf fast die Hälfte gesunken. Bezogen auf eine Million Steuerpflichtige lag der Anteil nur noch bei 2,39%!

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Die Erklärung für diese widersprüchlichen Ergebnisse ist relativ einfach. Alle Lebenshaltungsindizes beobachten einen bestimmten Warenkorb und die Preisentwicklung der darin liegenden Waren. Diese Warenkorb ist aber nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was in unserer Volkswirtschaft tatsächlich umgesetzt wird. Unternehmenskapital z. B. ist in keinem Lebenshaltungsindex berücksichtigt, obwohl dieses für Kapitaleinkünfte eine herausragende Rolle spielt. Hinzu kommt, dass der Lebenshaltungsindex nur den Preis pro Stück beobachtet, nicht aber die Entwicklung der Stückzahl eines Produkts, also nicht das gesamte Handelsvolumen. Dem tatsächlich gesamten Güterumsatz steht indes die Geldmenge gegenüber, so dass wir auch nur durch einen Vergleich mit der Geldmenge ein realistisches Bild der Einkommensentwicklung erhalten. Das durchschnittliche Einkommen eines Steuerpflichtigen der “übrigen Bevölkerung”, das wie gesagt 1974 bei 20.541 DM lag, hätte, wenn es mit der Entwicklung der Geldmenge M3 hätte mithalten sollen, bis 1995 nicht nur auf 47.988 DM sondern bis 91.185 DM steigen müssen.

Vergleichen wir nun die Entwicklung der Einkünfte der 1000 Reichsten mit der Geldmenge M3:

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Die Entwicklung dieser Einkünfte hat von 1974 bis 1983 mit der Entwicklung der Geldmenge M3 ungefähr Schritt gehalten. Bis 1989 hat sie die Entwicklung der Geldmenge bei weitem übertroffen. Dann ist sie (scheinbar) wieder auf ihr früheres (relatives) Niveau zurückgefallen. Tatsächlich aber machen sich hier die durch den Zusammenschluss mit der DDR neu entstandenen, steuerbegünstigten Kapitalanlagemöglichkeiten bemerkbar. Hinzu kommt, dass je höher die steuerbaren Einkünfte einer Person sind, sie umso mehr Geld zur tatsächlichen (beruflichen wie privaten) Verfügung hat - häufig ein zigfaches der steuerbaren Einkünfte. Das zeigt ein Vergleich der Einkommensteuerstatistik mit den “Stundenlöhnen” der 100 reichsten Deutschen unter www.meudalismus.dr-wo.de/html/stundenloehne2001.htm.

3. Nun könnte man einwenden, dieses Ergebnis komme nur zustande, weil die Geldmenge M3 auch “angespartes Geld” enthält. Dann sei es nur natürlich, dass M3 im Laufe der Zeit so stark wächst. Der Vergleich des Einkommens mit M3 sei folglich irreführend.

Indes wird bei dieser Argumentation übersehen, dass es sich bei diesem “angesparten Geld” nicht um Bargeld, sondern um Kredite handelt. Das bedeutet: In dem Maße, wie bei den Sparern die “Ansparung” wächst, wächst bei anderen die Verschuldung. Im Großen und Ganzen gibt es nun parallele Entwicklungen: Hohe Einkommen laufen parallel mit Ansparung und niedrige Einkommen laufen parallel mit Verschuldung. Im Ergebnis, dass nämlich 95% der Bevölkerung immer mehr an wirtschaftlicher Bedeutung verlieren, ändert sich folglich nichts.

Um den Kritikern aber gerecht zu werden, hier die Einkommensvergleiche mit M1 sogar mit den Zahlen seit 1968. (Die den Diagrammen zu Grunde liegenden Zahlen sowie die Fundstellen finden Sie in der beigefügten Excel-Tabelle: www.meudalismus.dr-wo.de/einkommen61-95.xls):

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Dieser Vergleich ist sogar noch krasser als der mit M3. Denn die Einkommen sind von 1974 bis 1995 auf 45,02% gefallen (bei M3 waren es 52,24%). Demgegenüber die Einkommen der Reichen im Vergleich mit M1:

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4. Nach alledem bleibt festzustellen, dass die Einkommen des Großteils (rund 95%) der Bevölkerung seit Jahrzehnten wertmäßig stetig geringer werden, selbst wenn sie - gemessen an einem Lebenshaltungsindex - zu wachsen scheinen. Mit anderen Worten: Die Masse der Bevölkerung kann sich im Vergleich zu den Reichen stetig weniger leisten, und sie nimmt folglich immer weniger an der Volkswirtschaft teil. Die wirtschaftliche Bedeutung von 95% der Menschen in Deutschland sinkt seit den 60er Jahren stetig und rapide. Der Einbruch der Konjunktur ist die logische und zwingende Folge.

DEN DEUTSCHEN MEUDALHERREN

English Version

Mittelschicht?
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der aktuellen
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Es handelt sich 
hier NICHT um
Einkommen, sondern
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Aktuelle Zahlen (Jan 2020):
Geldmengen pro Haushalt /
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Sichteinlagen (Girokonto, Tagesgeld)
  : 57.130,57 €
M1: 64.009,55 € / +6,8%
Spareinlagen, Festgeld
  : 20.45,26 €
M2: 84.054,81 € /  +4,9%
M3: 84.847,75 € /  +4,9%
Vermögen & “Stundenlohn”
des reichsten Deutschen:

17,10 Mrd. € / 479.045 €
Die 60 DM Kopfgeld 1948
entsprechen heute:

 9.853,71 €
Der Monatslohn, um heute die Kaufkraft
der 60 DM von damals zu erhalten:

19.707,42 €
Der Bruttostundenlohn aller 
Arbeiter vom Dez. 1948
entspricht heute:
185,58 €
Geldumlaufgeschwindigkeit:
sinkt 2019 dramatisch auf 1,30
(1981 noch 6,56)
Aktuelle Themen:
Krisenpolitik - eine unendliche Geschichte
Elmar Weixlbaumer, Billionaires Club
 

50 Jahre nach
Ludwig Erhard
»Wohlstand für Alle«:


*Dr. Jürgen Borchert, Vorsitzender Richter am Hessischen Landessozialgericht
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“Die richtigen Fragen”

Die Anstalt vom 05.04.2016 fast nur der Kritik am modernen Feudalismus gewidmet: