Meudalismus
Fakten

Paul Krugman, Nach Bush, Das Ende der Neokonservativen und die Stunde der Demokraten, (The Conscience of a Liberal) Frankfurt / New York 2008,
S. 55 ff.:

Über die historischen Einkommen der Reichen wissen wir besser Bescheid als über den Rest der Bevölkerung, weil die Reichen seit 1913 Einkommensteuer zahlten und dabei der Bundesregierung Einblick in ihre finanzielle Lage gewährten. Aus den Steuerdaten geht hervor, dass es bis Mitte der dreißiger Jahre oder noch später keine Tendenz zu nachlassender Ungleichheit gab: Als Franklin D. Roosevelt die Antrittsrede zu Beginn seiner zweiten Amtszeit hielt, in der er sagte, ein Drittel des Volkes lebe noch immer in Armut, deutete kaum etwas darauf hin, dass die wirtschaftliche Stellung der Reichen weniger beherrschend gewesen wäre als vor dem Ersten Weltkrieg. Doch nur zehn Jahre später waren die Reichen eindeutig zurückgestuft: Der scharfe Einkommensrückgang in der Spitzengruppe, der für die fünfziger Jahre belegt ist, war bereits 1946 oder 1947 erfolgt. Die relative Verarmung der wirtschaftlichen Elite vollzog sich nicht allmählich, sondern recht plötzlich.

Dieser plötzliche Vermögensrückgang der Wohlhabenden lässt sich weitgehend mit nur einem Wort erklären: Steuern.

Das muss man sich folgendermaßen vorstellen. Vor dem Krieg stammten hohe Einkommen aus anderen Quellen als heute. Beziehen die Wohlhabenden von heute ihr Einkommen oft aus abhängiger Beschäftigung (denken Sie an Vorstandsvorsitzende und ihre Aktienoptionen), so waren die Verhältnisse in den zwanziger Jahren einfacher: Die Reichen waren reich dank der Erträge aus dem Kapital, das ihnen gehörte. Und da das Einkommen aus Kapital an einen Bruchteil der Bevölkerung ging - im Jahr 1929 fielen 70 Prozent der Dividenden in Form von Gratisaktien nur 1 Prozent der Amerikaner zu -, entsprach die Aufteilung der Einkommen zwischen den Reichen und allen anderen weitgehend der Aufteilung des Volkseinkommens in Löhne und Kapitalerträge.

Man könnte daher annehmen, der scharfe Rückgang des Anteils der Wohlhabenden am amerikanischen Volkseinkommen sei Ausdruck einer großen Verschiebung in der Verteilung der Einkommen vom Kapital zur Arbeit gewesen. Genau das aber war nicht der Fall. 1955 gingen 69 Prozent des im privaten Sektor verdienten Einkommens vor Steuern an die Arbeit, 31 Prozent an das Kapital - ein geringer Unterschied zur Aufteilung von 1929, die 67 zu 33 betrug.

Doch während sich von den zwanziger zu den fünfziger Jahren an der Aufteilung des Vorsteuereinkommens zwischen Kapital und Arbeit kaum etwas änderte, kam es in der Aufteilung des Nachsteuereinkommens zwischen denen, die ihr Einkommen hauptsächlich aus Kapital bezogen, und denen, die überwiegend auf Lohn angewiesen waren, zu grundlegenden Veränderungen.

In den zwanziger Jahren waren Steuern für die Reichen von untergeordneter Bedeutung. Der höchste Einkommensteuersatz betrug nur 24 Prozent, und da selbst auf die größten Vermögen nur 20 Prozent Erbschaftsteuer erhoben wurden, konnten sich reiche Dynastien mühelos behaupten. Doch mit dem Anbruch des New Deal mussten die Reichen Steuern hinnehmen, die nicht nur sehr viel höher waren als in den zwanziger Jahren, sondern auch hoch nach heutigen Maßstäben. Der Spitzen-Einkommensteuersatz (derzeit nur 35 Prozent) stieg in der ersten Amtszeit Roosevelts auf 63 und in der zweiten auf 79 Prozent. Als die Vereinigten Staaten Mitte der fünfziger Jahre vor den Ausgaben des Kalten Krieges standen, stieg er auf 91 Prozent.

Überdies entfielen diese höheren persönlichen Steuern auf Kapitalerträge, die erheblich vermindert worden waren nicht durch ein Sinken der Gewinne, die von Unternehmen verdient wurden, sondern der Gewinne, die sie behalten durften: Die durchschnittliche Bundessteuer auf Unternehmensgewinne stieg von weniger als 14 Prozent im Jahr 1929 auf über 45 Prozent im Jahr 1955.

Ferner fanden jene, die auf Einkommen aus Kapital angewiesen waren, dass ein Großteil davon weggesteuert wurde, und es fiel ihnen immer schwerer, ihren Besitz an ihre Kinder weiterzugeben. Der Spitzen-Erbschaftsteuersatz stieg von 20 auf 45, dann auf 60, später auf 70 und schließlich auf 77 Prozent. Auch dies führte dazu, dass die Konzentration des Vermögensbesitzes erheblich nachließ: Die reichsten 0,1 Prozent der Amerikaner verfügten 1929 über mehr als 20 Prozent der Vermögen des Landes, Mitte der fünfziger Jahre dagegen nur noch über etwa 10 Prozent.

Was geschah also mit den Reichen? Offen gesagt wurde ein Großteil, vielleicht sogar der größte Teil ihres Einkommens durch den New Deal weggesteuert. Kein Wunder, dass Franklin D. Roosevelt als ein Verräter seiner Klasse galt.

Arbeitnehmer und Gewerkschaften

Waren die Reichen die größten Opfer der Großen Kompression, so waren Arbeiter, vor allem Industriearbeiter, die größten Nutznießer. Die 30 Jahre, die auf die Große Kompression folgten, von der Mitte der vierziger bis zur Mitte der siebziger Jahre, waren das goldene Zeitalter der manuellen Arbeit.

Faktisch verdienten amerikanische Männer mit Highschool-Abschluss, aber ohne College, Ende der fünfziger Jahre inflationsbereinigt in etwa so viel wie Arbeiter mit ähnlichen Qualifikationen heute. Und ihr relativer Status war natürlich sehr viel höher: Arbeiter mit besonders guten Stellen verdienten oft ebenso viel oder mehr als viele Fachleute mit College-Abschluss.

S. 69 f.:

Vom Radikalismus zur Ansehnlichkeit

In den dreißiger Jahren galt der New Deal tatsächlich als sehr radikal - und die New Dealer selbst waren gewillt, sich der Sprache des Klassenkampfes zu bedienen. Wenn man die Rede liest oder besser noch hört, die Franklin D. Roosevelt am Vorabend der Wahl von 1936 im Madison Square Garden hielt (die Aufzeichnung ist im Internet zugänglich), wird einem bewusst, wie zaghaft und manierlich der moderne Liberalismus geworden ist. Wer heute dafür eintritt, den Mindestlohn anzuheben oder die Steuern für die Reichen zu erhöhen, versäumt keinesfalls, der Öffentlichkeit zu versichern, dass er nichts gegen die Reichen hat und nicht für den Klassenkampf ist. Roosevelt dagegen feuerte auf die Übeltäter mit den tiefen Taschen aus allen Rohren:

    Wir mussten uns der alten Feinde des Friedens erwehren - des Wirtschafts- und Finanzmonopols, der Spekulation, der rücksichtslosen Banken, der Klassenfeindschaft, des Partikularismus, des Kriegsgewinnlertums.
    Sie betrachteten die Regierung der Vereinigten Staaten schon als ein bloßes Anhängsel ihrer eigenen Geschäfte. Wir wissen jetzt, dass die Regierung des organisierten Geldes genauso gefährlich ist wie die Regierung des organisierten Pöbels.
    Nie zuvor in unserer gesamten Geschichte waren diese Kräfte so gegen einen Kandidaten geeint wie heute. Sie sind sich einig in ihrem Hass auf mich - und ihr Hass ist mir sehr recht.

Roosevelt übertrieb nicht, als er davon sprach, dass die Plutokraten ihn hassen - und sie hatten dazu allen Anlass. Der New Deal erlegte, wie ich im Kapitel 3 gezeigt habe, den Kapitalgesellschaften und den Reichen eine schwere Steuerlast auf, und er sorgte für eine Verringerung des Einkommensgefälles, die eine beträchtliche Absenkung des Nachsteuereinkommens der Spitzenverdiener einschloss.

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